Im virtuellen Klassenzimmer
Von Christiane Beyer
Lüchow. Jeden Morgen geht Mehdi Hajihosseinlou in die Kreisvolkshochschule in Lüchow. Der Iraner, der vor drei Jahren nach Deutschland kam, macht an seinem Platz im ersten Stock den Computer mit den zwei Bildschirmen an, loggt sich in der Online-Akademie Viona ein, packt Buch, Block und Stift aus, setzt ein Headset auf und ist dann mittendrin im virtuellen Kurs „Deutsch für den Beruf“.
Wie die 17 anderen Teilnehmer, die aus Syrien, Polen, Korea und anderen Ländern stammen und die irgendwo in Deutschland in einer Volkshochschule vorm Computer sitzen, um ihr Deutsch für eine künftige Berufstätigkeit zu verbessern. Ihr Dozent leitet den Kurs aus dem Homeoffice in München. Ihn und die anderen Teilnehmer kennt Mehdi Hajihosseinlou nur von einem kleinen Bild auf dem Monitor. An diesem Tag geht es – sprachlich – um die Energiewende in Deutschland.
Ein solch virtueller Kurs ist nicht viel anders als traditionelle Schule. Man kann sich melden, wird auf- und nach vorne gerufen, agiert mit der Maus am Whiteboard, man kann signalisieren, ob man das Thema verstanden hat oder Nachfragen stellen, es gibt Stillarbeitsphasen, Pausen, sogar virtuelle Nebenräume für Gruppenarbeit, in denen man zu Zweit oder zu Dritt weiterarbeiten kann. Wer mal in der Stunde kurz den Unterricht verlassen muss, klickt auf das Kaffeetassen-Symbol, damit die anderen Bescheid wissen. Und speichern kann man das Unterrichtsthema auch noch, um eventuell zu Hause weiterzuarbeiten.
Mehdi Hajihosseinlou ist schwer begeistert von dieser Art des Lernens. Es sei sehr viel konzentrierter, einfach besser. Die Kommunikation – „Amtssprache ist Deutsch“ – untereinander klappe prima: „Mit diesem Programm geht alles gut.“ Auf diesen Kurs folgt für den gelernten Bauingenieur dann gleich der nächste, in dem es dann um eine Software für technisches Zeichen geht, damit er bald eine Anstellung findet.
Landrat Jürgen Schulz (parteilos), der Vorsitzende des KVHS-Zweckverbandes, war am Dienstag auch in die Lüchower KVHS gekommen, um sich ganz praktisch über die Online-Aka-demie zu informieren. Aus seiner Sicht sei ein solch virtuelles Lernangebot geradezu ideal für den ländlichen Raum. Viona hat 380 Kurse aus ganz unterschiedlichen Bereichen im Angebot, für kaum einen davon gäbe es im Landkreis und auch im Uelzener Raum die notwendigen sieben Teilnehmer, damit der Kurs in analoger Form stattfinden könnte.
Lernen in der Online-Akademie ist „tiefes Lernen“, konstatiert Schulz – täglich von 8 bis 16 Uhr, mal über eine Woche, öfter über vier Wochen (180 Stunden) oder auch länger. Es gibt Kurse, die auch bis zu 1000 Unterrichtsstunden umfassen. Das verlangt durchaus Selbstdisziplin. Aber niemand werde allein gelassen, die KVHS bietet pädagogische Betreuung, auch Probeunterricht ist möglich, betonen Almke Matzker-Steiner, die KVHS-Leiterin, und ihr Stellvertreter Jan-Philipp Skiba. Für Sprachkurse gibt es Einführungstests.
Zielgruppe dieser Online-Akademie sind Menschen, die sich aus der Arbeitslosigkeit heraus qualifizieren möchten, Migranten, die einen Aufbaukurs Deutsch brauchen – Arbeitsagentur und Jobcenter bezahlen –, aber auch Unternehmen, die in Zeiten des Fachkräftemangels ihr Personal fortbilden wollen. Niemand muss dafür irgendwohin reisen. So kann sich auch Jürgen Schulz vorstellen, dass die Kreisverwaltung das Angebot für ihre Mitarbeiter nutzt. Die Viona-Kurse starten nicht nur im Frühling und Herbst, sondern meist vierwöchentlich.
Interessant für Menschen in DAN könnten diese Fortbildungen sein, meinen Almke Matzker-Steiner und Jan-Philipp Skiba: Kodierfachkraft mit medizinischem Wissen (990 Unterrichtsstunden), BWL-Grundlagen (90 Unterrichtsstunden), Datenschutzgrundverordnung einfach und kompakt (vier Tage, Teilzeit), Lagerlogistik – Basisqualifikation für Migranten (1260 Unterrichtsstunden) oder auch Umweltmanagementbeauftragte/r (90 Unterrichtstunden).
BildunterschriftMehdi Hajihosseinlou, Bauingenieur aus dem Iran, gehört zu den ersten, die sich in der Lüchower KVHS in die virtuelle Online-Akademie einloggen. Aktuell hat er den Kurs Deutsch im Beruf belegt. Anschließend möchte er sich in einer Software für technisches Zeichnen fortbilden. Aufn.: Ch. Beyer
Virtuell lernen
Allgemeine Infos zu Viona, der Virtuellen Online Akademie, gibt es auf der Homepage des Kreisvolkshochschule unter www.allesbildung.de. Dort kann man sich schon mal durch die Kursthemen klicken. Ansprechpartnerin (auch für Firmen) ist Janina Fuge, Telefon (05 81) 9 76 49 15, E-Mail: fuge@allesbildung.de.
Vor Ort werden die Lernenden von Uwe Zieran beraten und betreut, Telefon (0 58 41) 48 82, E-Mail: zieran@allesbildung.de.